info@arscarina.de

Biografie

Biografie – schwarz auf weiß

Die Künstlerin Karin Jung stammt aus Ludwigshafen am Rhein und ist stets der Pfalz treu geblieben. Trotz ihres ausgeprägten künstlerischen Talents und des Wunsches, ein Kunststudium aufzunehmen, hat die heutige Papierkünstlerin auf den gutgemeinten Druck ihres Elternhauses Sprachen studiert, sie sollte etwas Vernünftiges lernen. Im Jahr 1998 fand sie über den Scherenschnitt zurück zur Kunst. Seitdem setzt sie sich mit dieser Kunstform aktiv und professionell, theoretisch und praktisch auseinander. Sie erzählt Märchen und Geschichten mit Bleistift und Schere, schwarz auf weiß, in Wort und Bild. Neben der Märchen- und Sagenwelt gilt ihre Vorliebe Motiven aus Flora und Fauna. Die Pfälzerin hat als „Dippelschisserle“ im Scherenschnitt ihr künstlerisches Medium gefunden, sich auszudrücken. Ihre Bücher sind mit Schattenbildern aus ihrer Schere bebildert, die das Erzählte zu konkreten Vorstellungen werden lassen. Ihre Scherenschnitte sind filigrane Gebilde nach eigenen Entwürfen, die zum Spazierengehen im Bild einladen. Die Scherenschneiderin und ihr Mann haben in der Zwischenzeit Elmstein zur Wahlheimat erklärt. Karin Jung schätzt die Ruhe und Abgeschiedenheit des Pfälzer Waldes, wo sie ihre Ideen zu Papier bringt. Ihre Umgebung ist ihr Inspiration.

 

Moi Boppehaisel

Es war an einem Samstag Ende November – oder vielleicht Anfang Dezember, so genau weiß ich das nicht mehr. Draußen herrschte unwirtliches, nasskaltes Wetter, alles war nebelverhangen, grau in grau dämmerte der Tag vor sich hin. Viele Fenster waren schon weihnachtlich geschmückt und strahlten um die Wette, gerade so, als wollten sie dem trüben Grau trotzen. Eigentlich genau das richtige Wetter, um es sich drinnen gemütlich zu machen. Meine vierte Weihnacht stand bevor. Ich wollte gerne für meine Eltern ein schönes Bild malen, ein großer Tannenbaum sollte es werden, darunter viele Geschenke, die das Christkind gebracht hatte… – aber ich musste das Bett hüten, denn ich hatte die Windpocken.

Es war noch früh am Tag, eben hell geworden. Es klingelte an der Tür. Mein Vater öffnete und begrüßte den Besuch. Ich erkannte die Stimme gleich. Es war Herr Nagel, ich sagte „Onkel Nagel“ zu ihm. Ich freute mich und nahm an, dass er mich besuchen wollte. Er verstand es gut mit Kindern, hatte immer tolle Ideen und war handwerklich sehr geschickt. Aber offensichtlich war er nicht gekommen, um mir einen Krankenbesuch abzustatten... – Er hatte eine Werkzeugkiste dabei – so viel konnte ich gerade noch durch den Türspalt erkennen – ich war verbotenerweise aus meinem Bett gekrochen. Die beiden, mein Vater und Onkel Nagel,  taten sehr geschäftig und verschwanden. Ich schlich ihnen nach – meine juckenden Windpocken interessierten mich nicht mehr. Mein Vater und mein Rufonkel waren auf einen unserer Balkons gegangen, was mich angesichts des ungemütlichen Wetters doch sehr verwunderte... – Durch das Fenster zum Balkon konnte ich die beiden beobachten. Auf dem Balkon stand auf einem Arbeitstisch ein Kasten, der mich an ein kleines Haus mit Spitzgiebel erinnerte. Die beiden besahen sich den Kasten und prüften ihn genau – mit Zollstock! Dann bohrten sie Löcher und spannten dünne, kupferfarbene Drähte. An der Rückseite des Kastens montierten sie eine große Batterie. Was das alles auf sich hatte, sollte ich vorerst nicht erfahren. Denn, um nicht ertappt zu werden, musste ich wieder in mein Zimmer zurück.

Als das Christkind gekommen war  – es kündigte sich immer mit zartem Glöckchenklang an – da stand unter dem Weihnachtsbaum ein wunderschönes Puppenhaus – moi Boppehaisel! Es hatte eine Küche und ein gemütliches Wohn- und Esszimmer. Oben unter dem Dach befand sich noch ein Schlafzimmer. Die Wände schmückten fein gemusterte Tapeten. Jedes der Zimmer war hübsch eingerichtet und hatte sogar Lampen, die über winzig kleine Lichtschalter an- und ausgeschaltet werden konnten – dünne, kupferfarbene Drähte und eine rückseitig angebrachte Batterie machten es möglich. Irgendwie erinnerte mich dieses Puppenhaus, „moi Boppehaisel“, an den Kasten mit dem spitzen Dach, an dem mein Vater zusammen mit Onkel Nagel gebaut hatte... – Mein Vater lebt nicht mehr. Gerne würde ich ihm heute noch einmal sagen, wie sehr ich mich damals über das Puppenhaus gefreut habe.

(Karin Jung)